Die Einnahme des Medikaments Spasmo Mucosolvan erfolgte zur Behandlung einer akuten spastischen Bronchitis. Victoria Carl hatte die Medikation bei der Dopingkontrolle vollständig und proaktiv angegeben. Aus Sicht des Deutschen Skiverbandes (DSV) handelt es sich um einen bedauerlichen Einzelfall, der durch eine unglückliche Verkettung organisatorischer und medizinischer Umstände entstanden ist – nicht aber durch eine Täuschungsabsicht der Athletin.
In einer ersten Stellungnahme erläuterte der Sanitätsdienst der Bundeswehr die Abläufe, die zu dem Vorfall führten:
- Statt des ursprünglich bestellten Hustensafts Mucosolvan (Ambroxol) wurde durch die Bundeswehrapotheke irrtümlich das Kombinationspräparat Spasmo Mucosolvan (Ambroxol + Clenbuterol) geliefert.
- Der Medikamentenkoffer wurde von ungeschultem Personal gepackt.
- Am Ort der Unterbringung in Andermatt stand zum Zeitpunkt der akuten Erkrankung kein alternatives Präparat zur Verfügung.
- Der behandelnde Truppenarzt verabreichte das Mittel unter hohem Zeitdruck, versäumte jedoch, auf den dopingrelevanten Inhaltsstoff hinzuweisen oder einen Notfallantrag für eine medizinische Ausnahmegenehmigung zu stellen.
"Die ärztliche Verordnung war medizinisch nachvollziehbar, aber organisatorisch fehlerhaft", so der leitende Sanitätsoffizier der CISM-Wettkämpfe. "Die Sportlerin trifft keinerlei Schuld. Sie handelte im Vertrauen auf die fachärztliche und kompetente Betreuung innerhalb eines offiziellen militärischen Wettkampfumfelds, wie sie unzweifelhaft bislang immer gewährleistet war. Zudem schien die Sportlerin durch Schlafmangel und völlige körperliche Erschöpfung in ihrer Wahrnehmung leicht eingeschränkt, was zusätzlich auch ihre Sorgfaltspflicht hat einschränken können. Dies werden wir im Laufe des nun anstehenden Verfahrens auch in der Klarheit zum Ausdruck bringen und belegen. Wir bedauern die entstandene Situation ausdrücklich und hoffen, dass wir mit unserer Stellungnahme bei der NADA dazu beitragen können, diese für die Athletin schwierige Situation aufzulösen."
Auch der Deutsche Skiverband unterstützt Victoria Carl in der aktuellen Situation ausdrücklich. Die Athletin habe alles korrekt angegeben, sich in der Vergangenheit stets regelkonform verhalten und in diesem Fall auf eine ärztliche Empfehlung vertraut. Aus Sicht des Verbandes spreche alles gegen eine Täuschungsabsicht.
Stefan Schwarzbach, Vorstand Kommunikation im DSV, erklärt dazu: "Wir stehen für sauberen Sport – aber ebenso für Fairness und Verantwortung. Victoria Carl wird derzeit mit möglichen Konsequenzen konfrontiert, für die sie medizinisch nicht verantwortlich ist. Eine Sperre, insbesondere mit Blick auf die Olympischen Spiele, wäre aus unserer Sicht weder gerecht noch verhältnismäßig."
Victoria Carl selbst beschreibt die Situation als sehr belastend: "Ich war krank, hatte starke Hustenanfälle und habe das Medikament auf ärztliche Anweisung genommen. Ich habe alles offengelegt – mir war nicht bewusst, dass ein verbotener Wirkstoff enthalten ist. Ich hoffe sehr, dass die Umstände nachvollzogen und fair bewertet werden."
Der DSV fordert eine differenzierte Einzelfallprüfung, die der medizinischen Notlage, der offenen Kommunikation der Athletin und der ärztlichen Verantwortung Rechnung trägt. Die Bundeswehr hat ein internes Prüfverfahren eingeleitet.
Wie in solchen Fällen üblich hat die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) ein Verfahren aufgenommen. DSV und Bundeswehr betonen gemeinsam, dass sie im Sinne der unschuldigen Athletin auf einen vollständigen Freispruch hoffen – nicht zuletzt, weil selbst eine kurzzeitige Sperre de facto einem Startverbot bei den Olympischen Spielen 2026 und damit einem möglichen Karriereende gleichkäme.