Letzter Aufgalopp am Holmenkollen – Kombiniererin Svenja Würth hört auf
11.03.2025
Svenja Würth (SV Baiersbronn) hat sich entschieden, ihre aktive Laufbahn zu beenden. In Oslo tritt die Ausnahmesportlerin, die als Skispringerin begann und ihre Karriere in der Nationalmannschaft der Nordischen Kombination beendet, ein letztes Mal an.
Svenja Würth

Als Würth am 7. Januar 2012 bei ihrem ersten Weltcup-Start in Hinterzarten Platz fünf schaffte, hatte sie die Skisprunggemeinde zwar auf Anhieb positiv überrascht - Würths sportlicher Werdegang sollte aber noch ganz andere Kapitel schreiben.

Als Weltklasseathletin absolvierte Svenja schließlich 95 Weltcup-Springen und schaffte drei WM-Starts (Predazzo und Lahti) – die Goldmedaille im Mixed-Team in Finnland, zusammen gewonnen mit Carina Vogt, Markus Eisenbichler und Andreas Wellinger, ist Würths größter sportlicher Erfolg. Dass sie in Ljubno im Februar 2017 zusammen mit den Teamkolleginnen Katharina Althaus und Carina Vogt als Dritte ein komplettes Weltcup-Podest besetzte, dürfte auch in Erinnerung bleiben. Und sie trägt nationale Meistertitel in beiden Disziplinen: dem Skispringen und der Nordischen Kombination!

Besonders stolz ist die Svenja selbst auf ihren erfolgreichen Disziplinenwechsel. Ein Privileg sei es gewesen, eine weitere Sportart professionell auszubilden. Bei den Weltmeisterschaften in Oberstdorf (2021) und Planica (2023) schaffte es Svenja als Nordische Kombiniererin im Gundersen-Einzel in die Top-20 (17.) und Top-15 (13.).
Im Weltcup war sie 30 Mal am Start, ihre beste Platzierung Rang acht, elfmal schaffte sie es in die Top-Ten - ehe sie, einmal mehr und wie auch schon im Skispringen, in Topform durch Verletzung oder Krankheit auf ein Großereignis verzichten musste. Diese Geschichte wiederholte sich vor Trondheim – jetzt macht Svenja Würth Schluss mit dem Spitzensport und blickt hochmotiviert auf ihren anstehenden weiteren Bildungsweg bei der Bundespolizei.

Wir verneigen uns vor einer Sportlerin, die sich um den nordischen Skisport in Mitteleuropa verdient gemacht hat – wir werden Dich vermissen, Svenja! Allemal angemessen, ausgerechnet am Holmenkollen das letzte Mal anzutreten.

Zu diesem Anlass würdigt Damen-Bundestrainer Florian Aichinger seine Athletin. Und Svenja selbst blickt zurück auf bewegte Zeiten.

Bundestrainer Florian Aichinger
"Für uns als Mannschaft bedeutet Svenjas Karriereende einen schweren Verlust, der auch weh tut. Vor allem in den letzten zwei Jahren ist sie fester Bestandteil der Nationalmannschaft Nordische Kombination gewesen. Mit ihrem Erfahrungswissen und dem, was sie unseren jungen Athletinnen auch sonst noch mit auf den Weg geben konnte, hat sie einen sehr, sehr großen Anteil an den Erfolgen, auch an denen von Nathalie.

Auch Svenja selbst hat mit Top-Ten-Ergebnissen immer wieder sehr gute Resultate erreicht, sie war eine feste Größe unter den Top-15 des Gesamt-Weltcups – als einzige Sportlerin hat sie im Weltcup Top-Ten-Resultate im Skispringen und der Nordischen Kombination erreicht.

Bei den Deutschen Meisterschaften im letzten Herbst ist Svenja Dritte gewesen, auch beim Sommer Grand Prix stand sie auf dem Podest. Uns erschien Svenja besser in Form als je zuvor.

Ohne diesen lästigen Dauerinfekt hätte sie wohl eine sehr starke Saison bestritten – schade, dass es so anders gelaufen ist und diese Saison so enden musste. So war es gesundheitlich einfach nicht mehr möglich, wieder den Anschluss zu finden. Ich hoffe, dass Svenja in Oslo einen guten Abschluss hinbringt.

Ich wünsche Svenja alles erdenklich Gute für die Zukunft, sie hat nun einen sehr guten Ausbildungsweg bei der Bundespolizei vor sich. Wir werden Svenja in Oslo gebührend verabschieden und ihr immer eine Besuchstür offenhalten – für eine professionelle Sportlerin und einen feinen Menschen, den ich doch sehr vermissen werde!"

Svenja Würth
"Weiter als in meiner Karriere hätten die Höhen und Tiefen wohl nicht auseinandergehen können: Das schlimmste Ereignis, das ich dabei durchgemacht habe, war 2014 die instabile Trümmerfraktur meiner Halswirbelsäule, die ich bei einem Landungssturz im Rahmen des Weltcups in Russland erlitten habe. Das waren Tage zwischen Hoffen und Bangen: erst einmal, dort wegzukommen, dass ich den Heimtransport so überstanden habe und diese Reise für mich nicht im Rollstuhl endete, da hatte ich wohl den allergrößten Schutzengel überhaupt.

Da danke ich heute noch einmal allen Personen, die dazu beigetragen haben, dass das überhaupt möglich wurde und so ausgehen konnte. Allen die in diese organisatorischen Prozesse involviert waren, bis hin zu den Ärzten, die mich dann in München versorgt haben.

Dass ich danach überhaupt auf die Schanze zurückgekehrt bin, war ein langer und zäher Weg. Vielen schien diese Möglichkeit anfangs absolut unwahrscheinlich. Ich bin sehr froh, dass das letztlich hingehauen hat: zwei Jahre hat es gebraucht, bis ich überhaupt wieder in der Lage war, einigermaßen gut Ski zu springen.

2016 ist kurz vor dem Saisonstart mein Vater verstorben, der für mich im Wintersport die größte Stütze war, und ohne den ich gar nicht zum Skispringen gekommen wäre. Auch das war für mich eine sehr, sehr harte Zeit.

Dass ich dann 2016/17 meine beste Weltcup-Saison überhaupt springe, völlig unerwartet zur WM fahren darf, für das Mixed-Teamspringen nominiert werde und Gold gewinnen darf: Bis heute habe ich keine Ahnung, wie ich das geschafft habe und wie das möglich war. Aber es war wunderschön, emotional kann man das nicht toppen!

Das Ganze dann auch noch zusammen mit Carina, mit der ich zusammen gewohnt hatte und die eine meiner besten Freundinnen ist. Das war das Highlight meiner Karriere, das werde ich nie vergessen! Was da an Druck von mir abgefallen ist und wie ich das geschafft habe, das war ein unglaubliches Geschenk und eine Belohnung für all die harten Jahre, die ich davor hatte.

2017 habe ich mir dann kurz vor den Olympischen Spielen, für die ich nominiert war, das Kreuzband gerissen. Das war der nächste herbe Rückschlag, damit blieben mir nach 2014 die zweiten Spiele verletzungsbedingt verwehrt. Das war schwer zu akzeptieren. Danach hatte ich lange zu kämpfen, es fehlte mir an Motivation. Auch deshalb hatte ich beschlossen, zur Nordischen Kombination zu wechseln. Das war für mich ein Neuanfang.

Doch so viel Lust ich darauf hatte, so sehr wurde ich dabei anfangs doch von einigen belächelt. Viele hatten gar kein Verständnis, warum ich in eine vermeintlich 'schlechtere' Sportart wechsele, die in ihrer Entwicklung ja noch komplett am Anfang stand.

Heute kann ich sagen, dass ich selten so viel gelernt habe, wie in den letzten vier, fünf Jahren. Ich bin mit meiner Entwicklung sehr zufrieden gewesen. Ich hatte ein saucooles Team und habe den Disziplinenwechsel nie bereut. Die großen Erfolge haben sich bis zum Ende nicht eingestellt. Ich bin trotzdem stolz, was ich erreicht habe: dass ich in zwei Sportarten den Deutschen Meistertitel holen konnte, dass ich in zwei verschiedenen Sportarten bei Weltmeisterschaften dabei war, und dass ich im Weltcup in zwei Sportarten Top-Ten-Ergebnisse geschafft habe.

Es hat mir immer sehr viel Spaß gemacht, und das ist in meinen Augen auch was wert. Die Wichtigste Erkenntnis scheint mir aber, dass man das tun sollte, was einem Spaß macht, und nicht das, was andere sagen! Für mich war das der richtige Weg.

Der größte Dank gilt meiner Familie: Egal was kam, sie hat immer hinter mir gestanden und ist jede meiner Entscheidungen mitgegangen. Diese Menschen haben mich nach jeder Verletzung physisch und psychisch gepflegt. Darunter hatte vor allem meine Mutter zu leiden – die froh sein wird, dass ich die Ski endlich an den Nagel hänge. Und sie nicht mehr Angst haben muss, dass ich von den Schanzen dieser Welt springe.

Außerdem danke ich der Bundespolizei, die mir in den letzten Jahren immer Sicherheit gegeben hat: Ich wusste, dass, wenn ich sportlich nicht mehr weiterkomme, oder nach Verletzungen und Rückschlägen keinen Sport mehr machen kann oder will, ich immer abgesichert bin. Ich konnte bei der Bundespolizei eine Ausbildung machen – das ist wohl für jeden oder die meisten Sportler die größte Sicherheit: zu wissen, dass man auch nach dem Sport etwas hat, was man machen kann. Ich werde meinen weiteren Werdegang bei der Bundespolizei einschlagen und für diese berufliche Absicherung bin ich unglaublich dankbar!

Wie allen anderen auch, die mich auf meinem sportlichen Weg in vielfältiger Weise unterstützt haben – privat, im Verein, bei der Behörde, im Landesskiverband, beim DSV und als Partner und Sponsoren.

So viele Menschen haben ihre Steinchen zu meinem Sportmosaik beigetragen, dass ich sie gar nicht aufzählen kann. Ich hoffe, dass sich alle Helfer und Unterstützer an dieser Stelle angesprochen fühlen."

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